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Legendärer Zürcher Rock-Club  -  Zehn Jahre ohne das Abart – und kein Ersatz in Sicht


Das Abart feiert sein 25-Jahr-Jubiläum. Und dies, obwohl der Club schon seit zehn Jahren geschlossen ist. Das zeigt: Die Liebe der Fans zu dieser Schweizer Rock-Institution ist ungebrochen. So geht es auch unserem Autor.


Autor:  Schimun Krausz

 Donnerstag, 26.01.2023


Nichts ödet mich mehr an wie Leute, die ständig den vermeintlich guten, alten Zeiten nachhängen. Wer das tut, verpasst das Jetzt. Trotzdem bin ich mit Mitte 30 nicht gefeit vor Nostalgie-Anflügen nach dem einen oder anderen Bier – oder nach dem Hören der aktuellen Folge des Sounds!-Story-Podcasts, in dem die Abart-Gründer die Geschichte ihres Clubs aufrollen (oben in diesem Artikel).

Das Abart, der Club, der Zürich während 15 Jahren zum Schweizer Schmelztiegel für Gitarrenmusik machte. 2012 schloss es seine Türen, weil sich das Sihlcity-Quartier von der Industrie- zur Wohngegend entwickelte. Aber auch, weil es Zeit war.

Es machte zu, bevor es schlecht, langweilig, oder noch schlimmer: egal werden konnte. Was wohl einer der Hauptgründe dafür ist, warum so viele Leute – und hach, auch ich – dem Laden selbst zehn Jahre später noch nachtrauern.


New York und London in Zürich

Als Bündner Bergbub lernte ich modernen Indie-Rock (oder «Post-Punk-Revival», wenn du Musik nur ab Vinyl hörst und ausschliesslich überteuertes Craftbeer trinkst) nicht in heimischen Bars kennen – da lief nur Gimma, Ska oder Gimma, der Ska machte. Stattdessen eröffnete mir der Soundtrack des Snowboard-Games «SSX on Tour» (Bloc Party! Maxïmo Park! LCD Soundsystem!) dieses Genre und bei meinem ersten Besuch im Abart im Herbst 2006 hörte ich es erstmals auch in der echten Welt.

Die Menschen in diesem neonbeleuchteten Industrial-Bunker an der Manessestrasse sahen aus wie die an Szenepartys in New York und London: Sie trugen Skinny Jeans, V-Necks oder Tanktops und dazu Chucks oder Chelsea Boots und tanzten auf diesem von verschütteten Drinks und vergossenem Schweiss halsbrecherisch rutschig gewordenen Metallboden zu Hits der Arctic Monkeys, Yeah Yeah Yeahs und The Strokes. Es klingt ekelhaft kitschig, natürlich, aber: Ich hatte ein neues Zuhause gefunden.


Als die Stars noch Sternchen waren

In meiner neuen, rund 400 Alternative-Nerds fassenden Stube sah ich Calvin Harris, der mit Bangers wie «Acceptable in the 80s» tatsächlich noch akzeptable Musik machte. Ich beklatschte die aus «The O.C.» bekannten Westküsten-Darlings Rooney und ihren Dauerbrenner «When Did Your Heart Go Missing?», den sie sowohl als Opener und Closer spielten. Und im Moshpit von Kraftklub erfuhr ich, dass Schweiss tatsächlich von der Decke tropfen kann.

Dazwischen interviewte ich als blauäugiger Musikjourni Bands im Abart-Backstage, prügelte mich als kaputte Gläser einsammelnder Runner durch die Feiermenge, wurde Resident-DJ der Supersonic-Partyreihe, kam mit der Barchefin zusammen und lernte zwischen zwei Konzerten draussen meine nächste Freundin kennen (im Gegensatz zum DJing gelang mir zwischen ihnen übrigens kein sauberer Übergang).


Ersatz gab es nie

Jetzt ist es doch passiert: Ich schwelge in der Vergangenheit. Das Abart hat meine 20er nun mal mehr geprägt als alles andere. Und so wie mir geht es einer ganzen Reihe ehemaliger Indie-, Rock- und Metal-Scenekids der Schweiz, die im Januar 2013 plötzlich diese Stube nicht mehr hatten und bis auf das kurzlebige Kinski (heute Klaus) an der Langstrasse auch keine neue fanden.


Klar, das Leben ging und geht weiter. Aber mit dem Abart war es halt ein bisschen toller. Und lauter sowieso.

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